25. Juli 2024
Intelligentes Laden von Elektrofahrzeugen auch ohne Smart Meter
Die Übertragungsnetzbetreiberin TransnetBW testet gemeinsam mit Audi und Intelligent Energy System Services (IE2S) die Nutzung dezentraler Flexibilitäten aus Elektrofahrzeugen. Ein Smart-Meter-Gateway oder ein dynamischer Stromtarif sind dabei nicht notwendig

Derzeit ist das intelligente Laden von Elektrofahrzeugen zu Hause ohne ein intelligentes Messsystem sowie einem intelligenten oder dynamischen Stromvertrag nicht möglich. Das Verschieben eines Ladevorgangs in Zeiten mit niedrigen Strompreisen kann in diesem Fall weder gemessen noch bilanziert und abgerechnet werden. Damit haben private Elektrofahrzeugbesitzer weder die Möglichkeit noch den Anreiz, von günstigen Strompreisen zu profitieren. Mit dem jetzt gestarteten Pilotprojekt ist es möglich, die Flexibilität der Stromnachfrage auch ohne intelligentes Messsystem zu nutzen.
Dezentrale Flexibilitäten im Standardlastprofil nutzbar machen
Durch die Nutzung der bestehenden Systeme der beteiligten Partner sowie der aktuell etablierten energiewirtschaftlichen Prozesse lässt sich ein effizientes Verfahren zur Integration der Flexibilität von Elektrofahrzeugen in den Strommarkt realisieren. Für das Vorhaben wird ein Pool von Audi Elektrofahrzeugen mit den Handelsprozessen von TransnetBW verknüpft. Das zugrundeliegende System entscheidet auf Grundlage der Nutzungsprofile seiner Kunden darüber, welche Flexibilität zur Verfügung steht, ohne deren Komfort einzuschränken. TransnetBW vermarktet die Flexibilität am kontinuierlichen Intraday-Markt und bilanziert die Veränderungen des Stromverbrauchs der Marktlokationen im Vergleich zum Standardlastprofil aufgrund des geänderten Ladeverhaltens in den Differenzbilanzkreisen der jeweiligen Netzbetreiber.
Seit Projektbeginn erproben die Partner erfolgreich das Zusammenspiel der Systeme und Prozesse im Testbetrieb. Dies wird mit virtuellen Elektrofahrzeugen, den Digital Twins, unter realen Marktbedingungen simuliert. Erste vorläufige Ergebnisse deuten auf ein hohes Flexibilisierungs- und Einsparpotenzial für potenzielle Kunden hin. Ab September wird der Pilottest auf reale Fahrzeuge ausgeweitet und die verfügbare Flexibilität der Teilnehmer real an der Börse vermarktet sowie die Bilanzierung und Abrechnung mit den Netzbetreibern realisiert. Der End-to-End-Test soll insbesondere Aufschluss über die Machbarkeit, das Potenzial der Lastverschiebung durch Elektrofahrzeuge sowie den volkswirtschaftlichen Nutzen geben.
Der Ansatz ermöglicht somit die Kombination von klassischen Stromverträgen mit Festpreis und der Vermarktung von Flexibilitäten, da die Vermarktung, Bilanzierung und Abrechnung der Flexibilitäten unabhängig vom Strombezugsvertrag erfolgt. Aufgrund seiner Einfachheit könnte dieser Ansatz in einem absehbaren Zeithorizont für die Erschließung lastseitiger Flexibilitäten genutzt werden. Neben der Vermarktung am Intraday-Markt sind zukünftig weitere Anwendungsfälle denkbar, wie z. B. die Bereitstellung von Regelreserve.
Hintergrund
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland führt dazu, dass die Preise an der Strombörse je nach Verfügbarkeit von Wind- und Sonnenenergie stark schwanken. In Zeiten eines hohen Stromangebots aus erneuerbaren Energien (bei gleichzeitig geringer Stromnachfrage) sinken die Strompreise, in Zeiten eines geringen Stromangebots steigen sie.
Negative Strompreise sind ein Indikator für Angebotsüberschuss am Strommarkt. Bei einem Ungleichgewicht zwischen Stromproduktion und Verbrauch sind die Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet, Maßnahmen zur Sicherung der Systemstabilität zu ergreifen. Die Integration dezentraler Flexibilität in den Strommarkt leistet somit auch zur Systemstabilität und zum Gelingen der Energiewende bei.